Stuttgart 21 und die paar Bäume — eine Kritik

Hallo zusammen!

Ich muss jetzt mal eben etwas loswerden, da ich soeben kurz dezent ausrasten musste.

Zunächst vorweg: Die Polizei hat mich Sicherheit sehr überreagiert, insbesondere, da auch Kinder bzw.  Jugendliche unangemessen stark betroffen waren.

Aber nun schauen wir uns doch bitte mal kurz an, worum es geht: Es geht um 282 Bäume.¹ Täglich werden jedoch Tausende Bäume, etliche Quadratkilometer (diverse Quellen im Netz sprechen von 550 Millionen qm Regenwald — die Zahl klingt unglaublich hoch) abgeholzt. Und das betrifft nicht nur Südamerika. In Indonesien sind es täglich 4.600 Fußballfelder, die dran glauben müssen.²

Kümmert sich da irgend ein Arsch darum? Sind deswegen täglich Hunderttausende auf der Straße? Nein! Stattdessen verbraten wir täglich Energie, Rohstoffe — ja, und damit auch Papier und: ja, auch Bäume in unzählbaren Mengen. Sei es beim Schreiben oder sei es beim Stuhlgang. Alleine die Schweiz spült z.B. täglich ca. 5.000 Bäume das Scheißhaus runter.³

Mal abgesehen davon, dass sich wohl kaum einer Gedanken darüber gemacht, was es uns alle kosten wird, wenn ein seit Jahrzehnten geplanter Bahnhof durch Vertragsbruch plötzlich aufgegeben wird — das Volk will nun also die Regierung zum Vertragsbruch zwingen⁴, die Bahn bezahlt dann mal eben 700 Millionen Euro an Stuttgart zurück (ich weiß dann, bei wem ich mich für dich nächste Preiserhöhung bedanken darf), und das Land zahlt mal eben 400 Millionen Euro Planungskosten zurück: Wer hat sich eigentlich mal gefragt, warum die Proteste erst jetzt kommen?

Aber halt: Hier geht es ja wirklich um etwas Wichtiges! Immerhin geht es um einen seit 1985(!) geplanten Bahnhof. Da kann man ja ruhig mal in letzter Minute auf die Straße gehen, um ein paar bekackte Bäume zu retten (und wenn wir in den Streikpausen kacken gehen, wischen wir uns mit ein paar weiteren Bäumen den Arsch ab). Wie gesagt, noch einmal: Ich will hier keine unnötige Polizeigewalt verteidigen, im Gegenteil; aber das hat nun damit nichts zu tun, denn diese Doppelmoral ist doch wirklich unglaublich: Wer von euch achtet denn bitte beim täglichen Einkauf darauf, ob man die entsprechenden Produkte nun kaufen sollte? Sind die Tomaten über einen langen Reiseweg (und somit mit dem Verbrauch vieler Rohstoffe) in den deutschen Supermarkt gekommen? Wer von euch kauft nicht nur die teureren Bioprodukte, sondern prüft auch noch, ob das entsprechende Biosiegel überhaupt das Leben (ὁ βιός) schützt? Wer von euch achtet beim Kauf darauf, dass die Produkte nicht unnötig viele Umverpackungen haben? Na? Wer?

Aber Hauptsache, wir schwimmen mal wieder mit auf der populistischen Welle, um ein paar einzelne Bäume zu schützen. Wer von euch spendet denn für den Regenwald, hm?

Diese aktuelle Stuttgart 21-Welle ist mal wieder purer Populismus. Anstatt sich jeder Einzelne mal Gedanken darüber macht, bewusster zu leben und einzukaufen, springen wir jetzt alle auf den Stuttgart 21-Zug auf. Es ist ähnlich wie bei Google Streetview. Auf einmal schreien alle groß auf, weil ein 5 Jahre altes Foto das eigene Haus im Netz zeigen könnte; gleichzeitig findet man die Vorratsdatenspeicherung natürlich gut, da sind die eigenen Daten egal; dasselbe bei der Gesundheitskarte und dem neuen Perso.

Es gäbe genug Dinge — sowohl in Deutschland also auch in Europa als auch auf der Welt –, für die es sich lohnen würde zu demonstrieren und auf die Straße zu gehen. Aber wir schwimmen lieber auf der Populismus-Welle, die gerade der vorgegebene Skandal zu sein hat. Vielen Dank, meine weitsichtigen Mitbürger.

——–

¹ Stuttgarter Zeitung

² WWF Deutschland

³ blick.ch

swr

swr

Die Twitter-Revolution

Welches Glück beschert das Internet doch der Menschheit!

Nicht nur, dass das Zensieren im Iran dadurch nicht mehr funktioniert, noch beeindruckender ist die Geschwindigkeit und die Detailfülle an Informationen, die über die Erdkugel gezwitschert werden.

Will man heute effektiv mitbekommen, wie es in Iran (der Artikel ist — im Gegensatz zu „der Irak“ — laut Wikipedia übrigens falsch) aussieht, so schaut man in die aktuellen Twitter-Messages, wie z.B. in diese hier oder in diese hinter den Links zusammengestellten:

http://www.h3x.no/2009/06/14/i…..e-clashes/
http://www.24-7israel.com/2009/06/iran-on-twitter/
http://andrewsullivan.theatlan…..aily_dish/

Sehr aufschlussreich sind übrigens auch die Kommentare in Nachrichtenblogs. So würde ich die Tagesschau-Berichterstattung zwar als die beste bezeichnen, doch sieht man anhand der Kommentare, wie ausgewählte Bilder dem Zuschauer immer noch nur einen Teil des Ganzen zeigen:

http://blog.tagesschau.de/?p=5771

Wie es auch The Nation schon treffend formuliert hat: Im Iran findet eine Twitter-Revolution statt. Ob eine tatsächliche Revolution daraus werden wird — immerhin sind es die größten Aufstände in Iran seit der islamischen Revolution 1979 —, wird uns in den kommenden Tagen gezwitschert werden.

Anti-Stoppschild-Petition erreicht Petitionsausschuss

Sicherlich habt auch Ihr bereits die Petition gegen die „ungeeignete“, „undurchsichtige“ und „unkontrollierbare“ Internetsperre unterschrieben, die das schwarz-rote Monster geplant hat — falls nicht: Bitte hier unterschreiben!

Nun hat die Anzahl der Unterschriften — nach nur vier Tagen! — die 50.000 überschritten, und somit kann die Petition nun vor den Petitionsausschuss. –> http://www.tagesschau.de/inland/petition106.html

Wer nicht weiß, worum es geht: Nähere Informationen gibt es außerdem hier, hier, hier (mit besonders heiklen Infos) sowie (sehr ausführlich): hier.

Windows auf Regierungsrechnern

Vor wenigen Tagen las ich die Meldung Rund 1300 Rechner weltweit infiziert – „Ghostnet“ spioniert Computer aus.

Über Tausend Regierungsrechner mit hochsensiblen Daten sind über einen Wurm infiziert und über ein Botnetz ausspioniert worden. Mein erster Gedanke war: bestimmt Windows-Systeme. Natürlich nicht ganz ernsthaft, denn wer würde denn Windows auf solch sensible Systeme installieren?

Heise erzählte mir dann weiter:
„Die Spionage-Software könne nicht nur den Mail-Verkehr und Dokumente der befallenen Rechner überwachen, sondern den kompletten PC fernsteuern und angeschlossene Kameras und Mikrofone zur Raumüberwachung einschalten.“
Quelle

Ok. Also doch Windows?

„Die Spionage-Software verbarg sich mittels Rootkit-Techniken im Windows-System und sendete über das HTTP-Protokoll Dokumente und E-Mails an Server in der chinesischen Provinz Sichuan.”
ebd.

Aha.

Heute heißt es nun Spionagenetz „Ghostnet“: Ein „Weckruf für die Politik“.
„“Was wir sehen, ist ein internationales Verbrechen. Wir müssen anfangen, über Wege einer Waffenkontrolle im Cyberspace nachzudenken“, forderte [Ron Deibert, einer der federführende Wissenschafter am Munk-Zentrum].“
Quelle

Mir dagegen stellt sich eine ganz andere Frage:
WAS ZUM GEIER HAT WINDOWS AUF HOCHSENSIBLEN REGIERUNGS-RECHNERN ZU SUCHEN?

Da gehören regierungs-eigene Unix-Systeme mit eigenen Datei- und Verzeichnisstrukturen drauf – selbst Linux hielte ich hier für unangebracht, da es zu standardisiert ist. Eigens entwickelte Regierungs-Unixe mit hochsicheren Kernen sind im Sinne der jeweiligen nationalen Sicherheit gefordert.
WAS HAT EIN ENDBENUTZER-SYSTEM DA DRAUF ZU SUCHEN?

Strafgesetzbuch kennt nun den Begriff „Jugendpornographie“ – Faust verbieten?

Ein gar wundervolles Gesetz hat das rot-schwarze Monster nun erlassen:

Seit Mittwoch gibt es nun den Begriff der „Jugendpornographie“.

Das Interessanteste an der ganzen Geschichte ist allerdings nicht, dass ein 17-jähriges Pärchen zwar legal miteinander schlafen darf, sich jedoch strafbar macht, sobald es sich dabei filmt, der eigentliche Hirnlochfraß ist, dass ein „tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen“ betrachtet wird.

Heißt: Personen, die mit über 20 optisch noch als unter 18 durchgehen – wer kennt nicht jemanden, der noch mit über 20 seinen Perso an der Kasse vorzeigen musste? –, fallen auch in diese Zielgruppe.

Ist das nun eigentlich das Aus für die Bravo und das Dr. Sommer-Team? Zumindest wird es interessant, wie sich entsprechende Bilder in jeglichen Medien verändern werden (müssen).

Die Abmahnanwälte reiben sich sicherlich schon die Hände.

Fest steht jedenfalls, dass das sicherlich das Aus für viele Hentai-Mangas und -Animes sein wird, denn die Regelung betrifft auch Computeranimationen, Zeichentrickfilme u.Ä.

Ob wohl jemand Verfassungsbeschwerde gegen dieses schwammige Gesetz einreichen wird?
Vielleicht ein 16-jähriges Pärchen, das sich in seiner Freiheit, sich selbst beim Sex filmen zu dürfen, eingeschränkt fühlt? Oder vielleicht eine jugendlich wirkende Pornodarstellerin, die nun arbeitslos wird?

Bis es soweit ist, sollten wir jedoch erst einmal den Faust verbieten. Schließlich gehört er nun eindeutig zu den „jungendpornographischen“ Schriften. Gretchen und Faust treiben es und Gretchen wird schließlich schwanger. Also wenn das nichts für den Index ist …

——–

FAUST: Hör, du mußt mir diese Dirne schaffen!
MEPHISTOPHELES: Nun, welche?
FAUST: Sie ging just vorbei.
MEPHISTOPHELES: Da die? Sie kam von ihrem Pfaffen,
Der sprach sie aller Sünden frei;
Ich schlich mich an ihrem Stuhl vorbei:
Es ist ein gar unschuldig Ding,
Das eben für nichts zur Beichte ging;
über die hab ich keine Gewalt!
FAUST: Ist über vierzehn Jahr doch alt.

PS: Lesenswert ist auch der entsprechende Heise-Artikel sowie viele Kommentare dazu im Heise-Forum.

Entwicklungen im Thema Vorratsdatenspeicherung

Wie der „Aktionskreis Vorratsdatenspeicherung“ -> berichtet <-, entstehen durch die Vorratsdatenspeicherung zum Teil bereits enorme Ängste in der Bevölkerung. Diese führen zu einer Vorsichtigkeit in der Kommunikation, die ihrerseits das Leben von Personen einschränkt, Arbeitswege verkompliziert, die Kommunikation in Berufen mit datenschutzkritischen Bereichen (Seelsorger, Journalisten, Anwälte etc.) in ein vormediales Zeitalter ohne Internet zurückversetzt und somit zudem das Gegenteil von dem erreicht, was das Gesetz bewirken sollte.

Etliche Berichte von Betroffenen sind (anonymisiert, versteht sich) für einen Schriftsatz an das Bundesverfassungsgericht zusammengestellt worden, um den dort vorliegenden Eilantrag auf Aussetzung der Vorratsdatenspeicherung weiter zu untermauern.

Dieser ist äußerst lesenswert:
http://www.vorratsdatenspeicherung.de/images/schriftsatz_2008-01-31_anon.pdf

Des Weiteren habe das Verfahren Präzedenzcharakter: „Was passiert, wenn das Bundesverfassungsgericht eine grundsätzliche Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung und der anlaßunabhängigen Überwachung fällt und das deutsche Umsetzungsgesetz aus grundsätzlichen Erwägungen für nichtig erklärt?“, fragt der AK-Vorrat -> in einem anderen Bericht <-.
„Formal blieben in einem solchen Fall die europäische Richtlinie und damit der formale Zwang zur Umsetzung bestehen.“

Auf jeden Fall ist „für die „Massenverfassungsbeschwerde“ des AK Vorratsdatenspeicherung … der Erste Senat des Bundesverfassungsgericht zuständig.“, wie der AK am 30.01.2008 -> berichtete <-.

Zum Schluss möchte ich mich noch für die (immerhin(?)) ca. 50 Leute bedanken, die am Kolleg bei der Aktion mitgemacht haben.

Die Bürger im Jahre 1984.1

Nachdem ich gestern – ohne Maiskölbchen! – ins neue Jahr gerutscht bin, ist es nun also soweit: Wir sind – vorerst? – im Jahre 1984.1 angekommen. (Sollte die grausame Entwicklung dahin gehen, dass das Verfassungsgericht die Vorratsdatenspeicherung auch nicht abschmettern sollte, werde ich die kommenden Jahre auch so weiterdatieren.)

In Hamburg gab es einen Trauermarsch, nachdem Bundespräsident Köhler uns das Weihnachtsgeschenk der Unterzeichnung gemacht hat. „Es gab keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, die ihn an der Ausfertigung gehindert hätten“, zitiert Heise im oben verlinkten Artikel. Vielleicht hätte man ihm das Grundgesetz vorsichtshalber noch einmal schicken sollen, denn dass er keine Bedenken hatte, ist insofern merkwürdig, als das Gesetz gleich gegen mehrere Grundrechte verstößt – nämlich gegen die Rechte der an den Kommunikationsvorgängen Beteiligten aus Art. 10 Abs. 1 Var. 3 GG (Fernmeldegeheimnis) oder den Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG (Recht auf informationelle Selbstbestimmung), aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GG (Meinungsfreiheit), Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG (Informationsfreiheit) und Art. 5 Abs. 1 S. 2 Var. 2 GG (Rundfunkfreiheit).
Die komplette, 160 Seiten starke Beschwerdeschrift ist übrigens durchaus des Lesens oder zumindest Überfliegens wert.

Und während ich stolz bin, einer der über 30.000 zu sein, die nun die Verfassungsbeschwerde eingereicht haben, ärgere ich mich über die Leute, die keine Balance zwischen Datenschutz, Datenparanoia und Nichtstun finden. Continue reading „Die Bürger im Jahre 1984.1“

Noch 52 Tage bis zur totalen Protokollierung der Telekommunikation

Das Internet trauert um das Telekommunikationsgeheimnis:

R.I.P. Fernmeldegeheimnis

http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/158/1/lang,de/
(Quelle des Bildes und lesenswerter Artikel; außerdem Anleitung zur Verhüllung der Webseite.)

Aber noch bedarf das Gesetz der Unterschrift des Bundespräsidenten.

Handelt!
Was  kann ich tun?

Außerdem bleibt uns noch die Verfassungsbeschwerde!

Besinnt euch auf unsere Geschichte, auf unsere im 19. Jahrhundert mühsam erkämpften Freiheiten!
Sammel-Verfassungsbeschwerde gegen Vorratsdatenspeicherung

Weitere Infos:
Die Überwachungs-FAQ

Internetverbot und das Töten von VERDÄCHTIGEN

Das hier ist möglicherweise der letzte Blogeintrag vor meinem Umzug nach W’tal (denn morgen wird mein Telefon- und Internetanschluss umgeschaltet, die Wohnung jedoch ist noch nicht bezugsbereit). Der Schmittischatz und ich freuen uns schon sehr, dass wir bald endlich eine große, gemeinsame Wohnung mit viel Platz und einem Katzenkletterparadies haben werden.
Und dennoch: Eigentlich wäre es geschickter gewesen, direkt auszuwandern.

Denn so weit ist es nun in unserem Rechtsstaat schon gekommen: Wolle Schäuble „fordert mehr ‚Freiheiten‘ für die Regierung“ und bemerkt, dass die „gezielte Tötung von Verdächtigen“ bisher noch „völlig ungeklärt“ sei.

Nach den nun legalisierten Onlinedurchsuchungen und den kriminalisierten Informatikern (ja, ich also auch. Na, Dankeschön!) kommt jetzt also das Sahnehäubchen für unseren künftigen Polizeistaat: Das präventive Töten von Verdächtigen sowie das Verwehren bestimmter Bürgerrechte für „Staatsfeinde“.

Während mein Namensvetter Don Dahlmann sich schon nicht mehr wundert, wenn man „auf Grund von ‚Auffälligkeiten‘ einen Menschen in einem ‚Saturn‘ Markt dazu zwingt, sich aus[zu]ziehen und ihn anschließend stundenlang festhält“ („Ausländer ohne festen Wohnsitz in Berlin, die mehrere 500-Euro-Scheine bei sich haben, da schrillen die Alarmglocken.“), sucht Fefe bereits nach politikfesten Helfern, um eine Vergleichsliste zu erstellen, in der die Gesetze aus der Zeit zwischen 1933 und 1945 mit den aktuellen Vorschlägen der NPD und denen von Schäuble nebeneinander gestellt werden sollen.

Vielleicht hat Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ja tatsächlich Recht und Schwarz-Rot probt den verfassungspolitischen Aufstand.

Wie dem auch sei, die aktuelle politische Entwicklung kann einem tatsächlich die Freude auf das neue Heim etwas vermiesen. Denn als baldiger Polizeistaat gehören wir – wie ein Kommentator des o.a. Tagesspiegel-Artikels meint – schließlich zu „den Bösen“.